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Samstag, 14. Januar 2012

Die Mimose Oder wie man einen Wellensittich einfängt


Ich baue einen Fahrradunfall, wenn mir ein entflogener Wellensittich vor die Nase flattert. Ich rase in den fahrenden Händler und wir haben den Salat. Gurken, Tomaten und Äpfel landen auf der Straße. Ich bin eine alte Frau in einem jungen Körper und morgen schon kann Weltuntergang sein. Ich bin eine Liebejungfrau mit dreissig Jahren.
Im besten Falle kommt ein Mann vorbei und hebt mich vom Boden auf. Dann gehen wir gemeinsam in seinen Garten und er erzählt mir, dass er schwul ist und ich eine schöne Frau. Er sagt, dass es wichtig ist, sich zu seinem Sein zu bekennen. Was auch immer du bist, sag es laut, damit alle es hören können. Don`t play games mit den Liebsten. Und wenn du zu Weihnachten einen Vogel geschenkt bekommst, dann pflege ihn und lass in aus dem Käfig heraus.
Es ist das traurigste auf der Welt, wenn eine Liebe stirbt. Sagt er.
In meinem Leben sind schon viele Lieben gestorben, sage ich.
Wie konnte das passieren, fragt er.
Ich wünschte, ich wüsste es.
Nein, ich will keinen Streit. Ja, ich will, dass du mich siehst.
Die falsche Nonne hat die Kerzen ausgeblasen.
Die falsche Nonne ist die richtige Mutter.
Die richtige Mutter hat man lieb. Sie pflegt dich gesund, wenn du krank wirst. Sie schenkt dir einen Hund, wenn du nicht mehr essen willst. Sie vermittelt dir, dass das Leben schön ist. Und gönnt dir jeden Moment des Glücks.
Die falsche Nonne ist anders. Sie ermutigt dich nicht zum Sein. Sie schläft ein, wenn du vom Erschrecken erzählst und wacht auf, wenn du dem Glück einen Stuhl hinstellen sollst, damit du dich im Dunkeln stösst, wenn sie die Kerzen ausgeblasen hat. Mein Schwanz ist so hart wie das Leben sagt sie und meine Potenz übersteigt die eure um einiges. Sie war eine verunsicherte junge Frau. Das ist ihr nicht vorzuwerfen, denn das bin ich selber. Sie war eine traurige junge Frau im Winter. Und ich habe gedacht, das muss so sein, dass man im Winter traurig ist. Dabei wohnt das Grün und das Gezwitscher der Vögel in mir selbst.
Denn Glück ist lernbar und zu kultivieren. Ob ich allein bin oder nicht. Das Glück des Augenblicks verfolgt mich.
Es ist ein Glück auf einer Mauer in einer fremden Stadt zu sitzen. Eine Zigarette zu rauchen und den Vorbeigehenden zu lauschen. Es ist ein Glück, die Sprache des Landes nicht zu verstehen und sich ausklinken zu können in jedem Moment, sagt die Mimose, während eine Möwe am Fenster vorbeifliegt. Es ist ein Glück, die Pausen wertzuschätzen auch ohne Zigaretten. Es ist ein Glück, dass ich bin.
Das ist wahr, sagt er. Das Leben ist ein Glück im Unglück und will vorsichtig behandelt werden.
Anouk sagt, dass es traurig ist, dass der Bettler keinen Schal besitzt und wünscht sich von mir, dass ich ihm einen schenke. Anouk ist meine Tochter und ihr darf nichts passieren. Es ist mehr! Ich will ihr Glück respektieren. Und ihr Unglück ernst nehmen…
Sie ist erschöpft. Die Mutternonne. Kein Schwanz ist so hart wie das Leben singt sie unterm Weihnachtsbaum. Ich erwache aus einem hunderjährigen Schlaf, weil der Fluch um ist. Umme Welt haben sie damals gewettet. Umme Welt, dass sie dich nicht in Ruhe lässt. Und an meinem Geburtstag brachen die Fluten über Thailand herein. Ein Tsunami generiert im pazifistischen Ozean. Wie kann ich da noch sagen, ist nicht meins, obwohl ich nur den Atlantik kenne.
Er schweigt.
Ein zahmes Meerschweinchen in einem Hauseingang. Ich will es streicheln. Da steht er plötzlich vor mir. Er sagt zu mir, dass ich einen Wunsch frei habe und dann verkauft er mir den Wunschbrief. Den Wunschbrief soll ich in einen Fluss werfen und dabei ganz dolle an meinen Wunsch denken. Ich wünsche mir so sehr, dass du mich liebst.
Nein, ich darf den Zettel nicht aus dem winzigen Umschlag nehmen. Es steht nichts darauf. Und die Vögel, des Mannes mit dem Vogelkäfig, kommen immer wieder zu ihm zurück, wenn man sie freigekauft hat. Ob Wünsche in Erfüllung gehen, wenn man an sie glaubt? Das Träumen jedenfalls ist erlaubt. So oft und so lang ich kann. Wenn ich schlafe und wenn ich wache. Ich träume von dir.
Und Anouks Wellensittiche bleiben scheu und lassen sich nicht ohne weiteres in den Käfig sperren. Obwohl wir sie füttern und mit ihnen sprechen, muss ich Max, den Blauen am langen Schwanz festhalten, wenn er auf meinem Kopf sitzt, um ihn dann in die andere Hand zu nehmen und zurück in den Käfig zu setzen. Und Tulpe ist die allerschönste. Ihr Federkleid hat eine Himmelszeichnung und mit zweiten Vornamen heisst sie Wolke. Bald wird sie ein Ei legen und kleine Wellensittiche ausbrüten, sagt Anouk. Dann sind wir eine richtig große Familie, sagt Anouk. Die Aways aus der Goldbachstrasse.
Nur hat die Sache einen Haken, sage ich und grinse ihn an. Tulpe Away, das Fluchttier, ist ein Kerl und ich bin eine Liebejungfrau.
Da lacht er und schenkt mir noch einen Tee ein.
Einen Moment lang sind nur die Stimmen, der Kinder zu hören, die auf den Strassen und in den Hinterhöfen spielen. Die Nachmittagssonne taucht den Garten in ein goldenes Licht und eigentlich ist alles so wie es sein soll. Der Sturz ist schon vergessen.







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